Europäische
Heimatwerk Geschichte

Zur Historie von Heimatwerk in Europa

Die Heimatwerke in den österreichischen Bundesländern und auch in der angrenzenden Schweiz sind heute als Handels- bzw. Gewerbeunternehmen und als Kulturinstitutionen vielen Menschen als Qualitätsmarke ein Begriff. Die Heimatwerke werden je nach Schwerpunktsetzung in unterschiedlicher Weise mit volks- bzw. regionalkulturellen Äußerungen in Verbindung gebracht. Gestaltendes Handwerk, heimische Tracht, Volksmusik und Bräuche stehen in engem Zusammenhang mit den seit vielen Jahrzehnten existierenden Einrichtungen.

Doch wie sind diese Heimatwerke in Zentraleuropa entstanden? Warum heißen sie so? Gibt es auch in anderen Ländern so etwas wie „Heimatwerke“?

Die Quellenlagen zu den „Heimatwerk – Geschichten“ sind regional unterschiedlich erforscht, jedoch meist äußerst dürftig und in den Darstellungen oft sehr mangelhaft. Die Grundsatzbroschüre „Das Heimatwerk in Österreich – Idee und Gestalt“ aus dem Jahr 1981 gibt zwar grundsätzliche Orientierung, geschichtliche Daten der Heimatwerk – Geschichten sind jedoch auch hier nicht angeführt. Manches aus der Historie wurde unkorrekt dargestellt, verschwiegen, verdrängt und unreflektiert über die Jahrzehnte weitergetragen. Dies wird durch die biografische Kontinuität agierender Personen in ihren Zeiten verständlich, gab die Volkskultur in ihrem breiten Spektrum doch die Möglichkeit zu politischer Rehabilitation. Es ist nach einer Offenheit und Transparenz der Geschichte(n) zu streben.

Der Name "Heimatwerk"

„Heimatwerk“ ist laut Ständecke eine Wortschöpfung, welche der Kaufbeurer Kurat Christian Frank (1867-1942) für sich als Urheber beanspruchte. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift DEUTSCHE GAUE, die im gesamten deutschen Sprachtraum verbreitet war, gab es 1907 und 1908 eine Rubrik mit der Bezeichnung „Das Heimat-Werk“. Ab 1909 wurde die Rubrik auf „Unser Heimatwerk“ umbenannt. 1912 wurde das „Heimatwerk“ von Kurat Frank als eine „Zentralstelle für Heimat- und Volkskunde“ von „Vertretern von Heimatschutzvereinen ec. besonders aus Württemberg und Österreich“ besucht und eingehend „studiert“. In diesem Zusammenhang ist eine 1921 von Viktor von Geramb (1884-1958) verfasste „großdeutsche“ Weihnachtsgabe mit dem Titel „Heimatarbeit in Österreich“ interessant. Wie Kurat Frank verband auch Geramb ein heimatschützerisches Interesse mit großdeutschen Kulturideen. Bestandteil von Gerambs „Heimatarbeit“ wurde 1934 die Gründung des ersten Heimatwerkes in Österreich als „Heimatwerk des Steirischen Volkskundemuseums“ in Graz.

Diese Beratungs- und Verkaufsstelle für Volkskunst, Tracht und Hausgewerbe verband die Bestrebungen des Kaufbeurer Anstaltsgeistlichen Kurat Christian Frank mit den Zielsetzungen der in der Schweiz eingerichteten Heimatwerk „Absatzgenossenschaft für Folklore-Fabrikate“.

Der Name Heimatwerk wurde auch für Schriftenreihen verwendet wie „Heimatwerk Sudetenland“ (1925), Coburg-Eisfelder Heimatwerk (1951), Siebenbürgisch-Deutsches Heimatwerk (1957), auch für religiöse Verbände wie Katholisches Heimatwerk (1933), Heimatwerk der Katholiken aus der freien Prälatur Schneidemühl e.V. oder auch die Heimatwerk Hannover eG als Wohnungsgenossenschaft.

Zusammenfassend gesehen wurde der Name Heimatwerk immer verwendet, wenn die ideelle oder reale Heimat bedroht erschien.

Das skandinavische Vorbild

Im Zusammenhang mit der Gründung der zentraleuropäischen Heimatwerke wird immer vom Vorbild der skandinavischen Einrichtungen, vornehmlich von Schweden gesprochen. Die „skandinavische Hausfleißbewegung“ entwickelte sich um 1870. Den Anst0ß dazu gab laut Kai Detlev Sievers der österreichische Kunsthistoriker Jacob von Falke (1825-1987). Schweden war um diese Zeit bereits internationaler Vorreiter in der Ausbildung von Handfertigkeits-Lehrerinnen und der Einrichtung von Handfertigkeitssschulen.

1899 wurde von Lilly Zickermann ein „Sozialwerk zur Rettung des schwedischen Hausgewerbes“ begründet, welcher nach Ansicht von Franz Lipp sehr eng und parallel mit dem Werkbund arbeitete. In Norwegen (ab 1867) und Dänemark (ab 1879) wurden landesweit „Husfliden“- Organisationen für die Herstellung und den Verkauf von handwerklichen und kunsthandwerklichen Produkten initiiert. 1913 wurde auch in Finnland ein Zentralverband gegründet. Ähnliche Bemühungen im an Dänemark angrenzenden Deutschland blieben nur Stückwerk und fanden kein öffentliches Interesse. Erst nach 1909 änderte sich diese Auffassung.

Parallel zur Hausfleißbewegung sollte auch der Freilichtmuseen betrachtet werden.

1891 erfolgte die Gründung des ersten Freilichtmuseums in Schweden von Arthur Hazelius. Er wollte in seinem Museum mit Folklore-Veranstaltungen und der Förderung schöpferischer Handarbeit pädagogische Arbeit leisten. 1924 gab es erste Ideen und Vorstellungen zu einem Freilichtmuseum in Salzburg durch SMCA Dir. Julius Leisching, ebenso in etwa derselben Zeit in Sachsen durch Oskar Seiffert Viktor von Geramb, welcher durch das Heimatschutz – Netzwerk von den Bestrebungen wusste und sich 1928 eigenen Angaben zufolge an den Einrichtungen in Holstein, der Schweiz und Skandinavien orientierte, wollte nach schwedischem Vorbild in Graz einen Steirischen Volkspark schaffen, der wie das ganze Volkskundemuseum und das Heimatwerk der lebendigen steirischen Volkskultur dienen sollte. Die romantischen Ideen ließen sich nicht verwirklichen. In Österreich wurde 1962 das erste Österreichische Freilichtmuseum in Stübing begründet (oder war dieses 1952 auf dem Kreuzbergl in St. Oswald / Kärnten lt. Koschier?). Das 1984 eröffnete Salzburger Freilichtmuseum schaffte als erstes neben der klassischen Vermittlung eine „Belebung“ des Museums mit Aktivitäten nach schwedischem Vorbild. Mittlerweile sind alle Freilichtmuseen in Österreich um verstärkten Erlebnischarakter und pädagogisch aufbereitete Vermittlungen nach schwedischem Vorbild bemüht.

Das Schweizer Heimatwerk

Aufgrund der wirtschaftlichen Notlage von der Bergbevölkerung gab es in der Schweiz bereits um 1925 Bemühungen, Absatzmöglichkeiten für bäuerliche Volkskunst zu erschließen. So gab es z.B. die „Verkaufsstelle für Volkskunst und nationales Handwerk“, das bald darauf unter „Heimatwerk“ firmierte in St. Gallen von Laura Weigmann; ein „Heimarbeitswerk“ in Winterthur von Lucie Wolfer-Sulzer, eine „Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit“ in Bern, einen „Verein für Heimarbeit im Berner Oberland“, eine Verkaufsgenossenschaft vom Schweizer Heimatschutz, welche 1929 aufgelöst wurde u.a.m. 1930 wurde im Auftrag des Bundesrates ein staatlich gefördertes „gemein-schweizerisches Unternehmen“ Schweizer Heimatwerk als Abteilung des Bauernverbandes mit Sekretär bzw. Direktor Ernst Laur-Schaffner (1871-1964) nach skandinavischem Vorbild eingerichtet. Es hatte die Aufgabe, eine dem „Bergvolk“ lehrbare Handwerks-und Heimatkultur hervorzubringen und die während des Winters in Heimarbeit hergestellten Waren zu vermarkten.

Das Unternehmen hatte drei Säulen:

1. Zentralstelle für bäuerliche Heimarbeit und ländliche Wohlfahrtspflege

2. Lehr- und Musterwerkstätte für Handweberei usw. in Brugg

3. Schweizer Heimatwerk – Verkaufsstelle „Heimethuus“ in Zürich ab Anfang Mai 1930, betrieben von Ernst Laur (1896-1983) und Gattin Agnes Laur-Bösch (1899-1990).

 

 

Die Bezeichnung „Heimatwerk“ übernahm man mit Zustimmung von Laura Weigmann von ihrem gleichnamigen Laden in St. Gallen. Der Name Heimatwerk wurde in einer Runde Gleichgesinnter wie ein zündender Funke als schweizerisch-deutsche Übersetzung des schwedischen „Hemslöjd“ gesehen, ursprünglich ein Begriff für eine „zuhause ausgeführte handwerkliche Tätigkeit“. Somit war zum skandinavischen Vorbild auch die namentliche Verwandtschaft gegeben. Die im Jahre 1931 abgehaltene Ausstellung „Schweizer Heimatwerk“, wo für „bergbäuerliche Winterarbeiten“ und deren Absatz in sechs bereits bestehenden Läden geworben wurde, erregte internationale Aufmerksamkeit, vor allem auch in Deutschland und Österreich, wie nachfolgende Entwicklungen zeigen werden. Auf Grundlage der am 9.4.1934 verabschiedeten Statuten löste sich das SHW organisatorisch vom Bauernverband und wurde eine eigenständige Genossenschaft. Der Bauernverband blieb jedoch lange Zeit wichtigstes Genossenschaftsmitglied. Mit Einwilligung vom Schweizer Heimatwerk firmierten bald weitere Betriebe auf eigene Verantwortung und Rechnung unter dem Namen „Heimatwerk“. Heute würde man „Franchisenehmer“ dazu sagen.

1944 beteiligte sich das Schweizer Heimatwerk an der Gründung der Schweizer Berghilfe. 1952/53 wurde der Verkaufsstandort am Flughafen Zürich Kloten eröffnet.

1989 erfolgte der Zusammenschluss der regionalen Heimatwerke zu einer Interessensgemeinschaft, die sich seit 1996 Vereinigung der Heimatwerke in der Schweiz nennt.

Martin Stüssi war ein langjähriger Leiter der Genossenschaft und engagierter Motor des Verbandes Europäisches Heimatwerk. Die Genossenschaft Schweizer Heimatwerk heute wird nicht vom Bund subventioniert und  betreibt sieben Verkaufsstellen mit ausgewählten Schweizer Geschenks-Ideen und Souvenirs „Made in Switzerland“. Vorsitzende der Geschäftsleitung ist heute Erika Mathis-Brassel. Das Schweizer Heimatwerk ist nicht mehr Mitglied im Kuratorium Europäisches Heimatwerk.

Das deutsche Heimatwerk

Eine GmbH „Deutsches Heimatwerk“ wurde 1933 gegründet. Es gab jedoch auch in Deutschland bereits die Jahrzehnte zuvor Ausstellungen und Bestrebungen zur Verbreitung von Volkskunst und wie z.B. in Bayern ab 1901. Märkte und Ausstellungen wurden mit Produkten „volkstümlicher Hauskunst“ zu beschickt, z.B. das Magdalenenfest in Nymphenburg, das Oktoberfest in München, diverse Christkindlmärkte u.a.m. 1905 wurde ein Ausschuss „zur Wiederbelebung alter Gewerbe und Hausindustrie“ eingerichtet. Erfolgreiche Verkaufsausstellungen folgten und 1910 wurde vom Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde ein Geschäft namens „Heimatkunst“ in München eröffnet, welches 1912 jedoch bereits wieder geschlossen wurde.


In Sachsen veranstaltete der Verein für Sächsische Volkskunde im Sommer 1896 in Dresden eine „Ausstellung Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes“. Eng damit verbunden ist der Museumsleiter Oskar Seyffert (1862-1940). Er galt in Österreich lange als Begründer des „ältesten Heimatwerks“ (Franz Lipp/Leopold Grünn, siehe auch „Heimatwerk-Fibel“), obwohl er ein Geschäft oder eine Genossenschaft dieses Namens nie unterhalten hatte! Korrekter scheint mir zu sein, dass er im Sinne der Heimatwerk-Idee die Erzgebirge-Hausindustrie im Jahre 1924 begründete.

Als Vorstufe zur Gründung der Deutschen Heimatwerk GmbH werden zwei Ausstellungen gesehen. 1932 „Volkskunst, Hausfleiß und Handwerk“ in Berlin und Breslau. 1932 gab es erste Bemühungen, ein „Schlesisches Heimatwerk“ zu gründen. Die Aufgabenstellung ging in drei Richtungen:

1. Untersuchung der vorhandenen Werkstätten und Betriebe auf dem Gebiet von Volkskunst, Hausfleiß und Handwerk

2. Förderung durch Beratung und Zusammenfassung der Produktion und Absatzförderung

3. Einbau in die Bestrebungen für eine produktive Grenzdeutschtums- und Heimatpflege

1933 fand eine „Deutsches Heimatwerk – Ausstellung für Volkskunst und bodenständiges Handwerk“ als Verkaufsausstellung der „Vereinigung Volkskunst und Handwerk“ in Berlin statt. Initiatoren waren Hans Kaiser in Erich Ziegert, unterstützt von nationalsozialistischen Verbänden. Zweck der Ausstellung war, Käufer und politische Unterstützung für das Heimatwerk zu finden. Das Heimatwerk würde helfen „aus Volkstum und Heimat die deutsche Volksgemeinschaft“ zu verwirklichen.

Ab der Machtergreifung (30.1.1933) durch die Nationalsozialisten gab es bereits Bestrebungen zur Errichtung eines reichsweiten, nationalsozialistischen Heimatwerkes für bodenständiges Handwerk und Volkskunst.

Am 4.12.1934 wurde das Deutsche Heimatwerk mit Sitz in Berlin als gemeinnützige GmbH genehmigt und am 22.1.1935 im Notariatsregister eingetragen. Als Geschäftsführer fungierten Hans Kaiser und Erich Ziegert. Langfristig plante der Reichsnährstand (ab 1936 alleiniger Gesellschafter), in jeder Landesbauernschaft eine Landeszweigstelle des DHW mit „Erzeugnissen bäuerlicher Volkskunst“ einzurichten. Geschäftsführer wurden Habns Kaiser und der überzeugte Nationalsozialist Erich Ziegert.

Die Beziehungen zu Heimatwerken anderer Länder verliefen im Sande. Das Hauptgeschäft wurde in Berlin eingerichtet, Filialen in München (1937), Breslau und Düsseldorf (1936). Kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges kam es zur Gründung des NS „Heimatwerk Ostpreußen“. Die Zielsetzungen lagen ähnlich wie beim Tiroler Heimatwerk oder bei den skandinavischen Hausfleiß-Einrichtungen. Im Sudetenland entstand 1939 ebenfalls ein Heimatwerk. Langfristig sollte dieses dem NS-Heimatwerk Sachsen angegliedert werden. Weitere Filialen in Salzburg (1940), Straßburg und Weimar (1941). Pläne für eine Wiener, Frankfurter und Warschauer Niederlassung wurden nicht realisiert.

Neben dem Deutschen Heimatwerk existierten in der NS-Zeit noch weitere „Heimatwerke“ und „Heimathäuser“. Heimathäuser dienten der ideellen Kulturpflege, Heimatwerke, diese auch wirtschaftlich umzusetzen. Gauheimatwerke unterstanden dem Gauleiter und entwickelten Programme zur Förderung einer parteikonformen „Heimatkultur“. So ein Gauheimatwerk war auch das 1942 gegründete Heimatwerk Salzburg, das Heimatwerk Sachsen (gegr. 1935), das Gauheimatwerk Südhannover-Braunschweig (gegr. 1941) u.a.m.

Österreichische Heimatwerke

Zu den Rollen österreichischer Heimatwerke wie Oberdonau in Linz (1939) oder Niederdonau in Wien (1942) in der NS-Zeit ist wenig bekannt. Die Aktivitäten in dieser Zeit wurden bei den Neugründungen der Heimatwerke nach dem Krieg von den handelnden und verantwortlichen Personen verschwiegen und verdrängt. Mit Ausnahme von Salzburg und Steiermark hat sich die Forschung bisher kaum mit der Vergangenheit der Institutionen beschäftigt.